WWW und althistorische Forschung, M. Sehlmeyer

Möglichkeiten & Grenzen des WWW für die althistorische Forschung
Vortrag M. Sehlmeyer, Rom, 26.9.1997


Diese Kurzdarstellung meines Vortrages auf dem Workshop Alte Geschichte und EDV soll Einblick in die Gliederung meines Vortrages geben und ebenso einige althistorisch besonders relevante Ressourcen nennen. Die URL lautet: http://www.gwdg.de/~msehlme1/rom.htm

1. Einleitung: gedruckte Publikationen, CD-ROM und WWW

2. Quellen im WWW anhand einzelner Beispiele
a) literarische Quellen: griechische Texte zur Geschichte Athen (Perseus)
b) epigraphische Quellen: Neufunde lat. Inschriften dieses Jahrhunderts

3. Literaturdatenbanken und Literatur im Volltext
a) Literaturdatenbanken (BAHR, Gnomon)
b) Rezensionszeitschriften (Bryn Mawr CR)
c) Aufsätze, Monographien

4. Suchen nach Antike im Internet: ARGOS

5. Zusammenfassung

6. Literaturhinweise

Markus Sehlmeyer, Göttingen, September 1997 ( msehlme1@gwdg.de)

1. E i n l e i t u n g


Das Internet bietet prinzipiell ideale Möglichkeiten zur Verbreitung althistorischer Quellen und Forschungen. So ist es in den letzten Jahren etwa gelungen, auch altgriechische Texte bereitzustellen und Bildquellen einzubinden. Basis dafür war das World-Wide-Web, das mithilfe leistungsfähiger Abfrageprogramme (Browser), etwa dem Navigator von Netscape, eine sehr einfache Bedienung ermöglicht und ebenso die Erstellung einfacher Informationsangebote in der Hypertextsprache HTML. In anderen Bereichen, etwa numismatischen Sonderzeichen, ist die Standardisierung noch nicht so weit fortgeschritten.

Mein Vortrag soll zeigen, in welchen Feldern der althistorischen Forschung wir Informationsangebote zu erwarten haben, die den gedruckten nicht nur gleichkommen, sondern sie noch übersteigen. Insofern ist auch die Abgrenzung von CD-ROMs von Interesse.

Im folgenden möchte ich lediglich für jede Quellen- und Informationsgruppe im Internet ein oder zwei Beispiele geben. Am Ende wird dann zu prüfen sein, in welchen Bereichen das Internet interessantes Material erwarten läßt und wo kommerzielle Produkte auf CD-ROM überlegen sind.

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2. Quellen im WWW anhand einzelner Beispiele

a) literarische Quellen: griechische Texte zur Geschichtes Athen (Perseus)


Die griechische Literatur liegt auf der CD-ROM Thesaurus Linguae Graecae bereits bis in die Kaiserzeit vor, eine erweiterte 5. Version ist für dieses Jahr vorgesehen. Der große Vorteil liegt - im Gegensatz zum WWW - darin, daß alle Texte in demselben Format, dem sogenannten BetaCode kodiert sind. Allerdings werden die Texte ohne jeglichen sprachlichen Hilfen angeboten, wodurch eine Lücke entsteht, die im Internet teilweise abgedeckt wird. Es bestehen mehrere umfangreiche Listen, in die im WWW zugänglichen antiken Autoren verzeichnet sind, z.B.

http://www.uni-konstanz.de/ZE/Bib/zs/zsant.html

Diese Texte sind zumindest für didaktische Zwecke geeignet, während lexikographische Fragen zumeist besser mit der TLG-CD-ROM zu lösen sind. Ein wichtiges ergänzendes Hilfsmittel ist das Perseus-Projekt im WWW. Dieses ist auch auf CD-ROM erhältlich, doch in Europa anscheinend noch nicht sehr weit verbreitet.

http://www. perseus.tufts.edu/

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b) epigraphische Quellen: Neufunde lat. Inschriften dieses Jahrhunderts


Dieser Workshop hat schon eine Vielzahl epigraphischer Hilfsmittel und Datenbanken vorgestellt. Ich möchtze trotzdem kurz auf eine Datenbank lateinischer Inschriften hinweisen, die momentan vom Umfang her keine Konkurrenz hat: über 46000 lateinische Inschriften liegen derzeit vor. Außer dem Inschrifttext ist nur die AE-Nummer angeben, so daß man sich dort über Ort, Zeit und Erstpublikation der Inschrift weiterinformieren kann. Teilweise sind auch Inschriften aus dem CIL vorhanden, doch die Datenbank ist hauptsächlich auf die Neufunde dieses Jahrhunderts ausgerichtet.
http://www. rz.uni-frankfurt.de/~clauss/

Die Beispielrecherche soll Inschriften mit Erwähnung der triumphalia ornamenta ergeben. Eine Suche unter "triumph ornament" mit der Verknüpfung "UND" liefert folgende 9 Ergebnisse, die man sich per E-Mail zuschicken lassen kann (die Wartezeit im WWW ist zu hoch):
Ergebnisse der Recherche "triumph ornament"

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3. Literaturdatenbanken und Literatur im Volltext:
a) Literaturdatenbanken (BAHR, Gnomon)



Das "Bulletin Analytique d'Histoire Romaine" erschließt, auch in gedruckter From, die neuere Literatur zur römischen Geschichte. Im Gegensatz zum Marouzeau werden die einzelnen Aufsätze mit Stichworten versehen sowie Angabe der Textstellen, die insbesondere diskutiert werden. Ein Auszug mit Daten bis zum Jahre 1993 befindet sich im Internet:

Bulletin Analytique d'Histoire Romaine

Als Beispiel sollen Informationen über die Stadt Histria am Schwarzen Meer gesucht werden (leider nur bis 1993, jüngere Jahrgänge nur in Buchform): Ergebnisse der Recherche "Histria ": 4 Treffer

Die als CD-ROM bekannte Gnomon Datenbank, die in der 4. Auflage von 1997 gut 190.000 Titel umfaßt, ist zum Teil (ca. 120.000 Titel) auch im Internet zugänglich: Ergebnisse der Recherche "Histria ": 18 Treffer
Die oben gefundenen Titel sind nicht enthalten, dafür einige über die Provinz "Venetia et Istria".

Die Database of Classical Bibliography, der Marouzeau auf CD-ROM, bietet 26 Angaben zur Stadt Histria (und 11 zu Venetia et Histria): Ergebnisse der Recherche "Histria ": 26+11 Treffer
Obwohl diese CD-ROM nicht die allerneueste Literatur verzeichnet, ist sie für die behandelten Jahrgänge fast komplett und erfasst pro Jahr fast doppelt soviele Einträge wie die Gnomon-CD-ROM. Die Abstracts machen die DCB zur Wissensdatenbank.

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b) Rezensionszeitschriften (Bryn Mawr CR)


Das Bryn Mawr Classical Review hat in den letzten sieben Jahr in den USA die Rolle übernommen, die in Europa etwa der Gnomon hat. Die Rezensionen sind sehr ausführlich und werden mit Hilfe des Internets auch sehr schnell publiziert. Über 1100 Rezensionen sind bisher zusammengekommen, darunter schon viele Bücher, die erst 1996 oder gar 1997 erschienen sind. Alle Reviews sind zugänglich über Internet und können im Volltext recherchiert werden:
http://ccat.sas.upenn.edu/jod/bmr.html

Index des Volltextes aller BMC-Reviews: gopher://gopher.lib.virginia.edu:70/77/.indexes/bmcr

Die Reviews bis Ende 1996 sind auch auf einer preisgünstigen CD-ROM erhältlich ($ 9).

Die anderen, im Internet weit verstreuten Reviews sind bisher noch nicht in einer Liste zusammengeführt worden.

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c) Monographien, Aufsätze, Informationen über CD-ROM


Bekanntlich setzt sich James O'Donnell (University of Pennsylvania) seit längerem für die Nutzung des Internets zu Lehr- und Publikationszwecken ein. Sein seit zwei Jahren vergriffenes Buch über Cassiodor hat er ins Netz gelegt:

http://ccat.sas.upenn.edu/jod/texts/cassbook/toc.html

Althistorische Dissertationen, die im Internet publiziert wurden, habe ich bisher in Deutschland nicht ausfindig machen können.

Ein kommentiertesVerzeichnis mit altertumswissenschaftlichen Zeitschriften findet man bei K. Wilkens (Universitätsbibliothek Konstanz):

http://www.uni-konstanz.de/ZE/Bib/zs/zsant.html

Aus dem Bereich der Altertumswissenschaften soll nur eine Zeitschrift genannt werden, nämlich HISTOS:

http://www.dur.ac.uk:80/Classics/histos/index.html

Informationen zum EDV-Einsatz in der Alten Geschichte enthalten die Zeitschriften Electronic Antiquity ; Arachnion und Computers & Texts (C&T). Meine Liste von altertumswissenschaftliche relevanten CD-ROMs umfaßt momentan 34 Titel:

http://www.gwdg.de/~msehlme1/cdrom.htm

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4. Suchen nach Antike im Internet: ARGOS



5. Zusammenfassung


Die vorgestellten Beispiele zeigen, daß es eine Reihe von althistorischen Hilfsmitteln im Internet gibt, vor allem im bibliographischen Bereich. Manche Projekte werden durch Verkauf von CD-ROM Versionen finanziert, etwa Perseus oder die Gnomon-Datenbank. Die völlig kostenfreie Bereitstellung von Daten im Internet hat allerdings zur Konsequenz, daß die Anbieter zur Finanzierung auf Hilfskräfte zurückgreifen können oder aber bereit sind, ihre Freizeit dafür zu verwenden.

Große Textdatenbanken in einheitlicher Formatierung werden deshalb wohl sobald nicht im Internet zur Verfügung stehen. Perseus deckt nur einen kleinen Bereich der althistorischen Quellen ab; viele Projekte, die Klassiker im Netz bereitstellen, bieten diese nur in englischer Übersetzung. Wenn zeitgemäße Texte angeboten werden sollen, sind zudem Lizenzgebuehren an die Editoren bzw. Verlage einzukalkulieren, da insbesondere Konjekturen als geistige Eigenleistung zu bewerten sind. Dieser Bereich scheint also der CD-ROM vorbehalten zu bleiben.

Ein Bereich des Internets wird von der Alten Geschichte kaum genutzt, nämlich die Möglichkeit, Dissertationen fast kostenfrei zu publizieren. An manchen Universitäten, etwa in Göttingen, sind dazu Planungen im Gange, bisher wurde aber nur eine einzige ökonomische Dissertation ins Netz gelegt.

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6. Literaturhinweise


  • DITFURTH, Chr. v.: Internet für Historiker. Frankfurt 1997. (campus, 29,80 DM; erste Buchhälfte sehr allgemein, für Einsteiger)
  • DURUSAU, Patrick: High places in cyberspace A guide to biblical and religious studies, classics, and archaeological resources on the Internet, Atlanta 1996, 253 S.; vgl. die Rezension von Michael FRASER, C&T 14 (1997) und jetzt die Ergänzungen zu Durusau
  • FELL, M. / SCHÄFER, C. / WIERSCHOWSKI, L. (Hrsg.): Datenbanken in der Alten Geschichte, St. Katharinen 1994
  • FELL, M. / SPICKERMANN, W. / WIERSCHOWSKI, L. (Hrsg.): Machina Computatoria. Zur Anwendung von EDV in den Altertumswissenschaften, St. Katharinen 1997 (Tagungsband des 1. Workshops "Alte Geschichte und EDV", Osnabrück 1995)
  • LANA, M.: L'uso del computer nell'analisi dei testi, Milano 1994 (Schwerpunkt liegt auf antiken Texten)
  • NEUMANN, Fritz-Wilhelm: Geisteswissenschaften im Internet - Möglichkeiten und Grenzen einer neuen Technologie, in: Anglistik im Internet, hrsg. von D. FELDMANN, F.-W. NEUMANN, T. ROMMEL, Heidelberg 1997, S. 47-71 (C. Winter, 26,- DM) vgl. auch im Buch erwähnte Links, nicht nur fuer Anglistik
  • RENARD, Denis: L'impact d'Internet su la documentation et la recherche en philologie classique, RISSH 32 (1996) 243-264
  • SCHRÖDER, Thomas A.: Historisch relevante Ressourcen im Internet und WorldWideWeb: Angebot, Bewertung und Ausblick, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 1996, Heft 3, 465-477.
  • SEHLMEYER, M.: EDV-Einsatz in der Alten Geschichte, Historische Zeitschrift 261 (1995) 793-811 [enthält u.a. Besprechungen von Fell/Schäfer/Wierschowski (Hrsg.), Datenbanken in der Alten Geschichte, 1994 & Stoll (Hrsg.), Computer und Archäologie, 1995]
  • SOLOMON, J. (ed.): Accessing Antiquity. The computerization of Classical studies, Tucson/London 1993 (vgl. meine Rezension im Gnomon 1997/98)
  • WAIBLINGER, F.P.: Alte Sprachen und neue Medien, Forum Classicum 40 (1997) 71-82

Für eigene Publikationen im WWW und auf CD-ROM:

  • APITZ, Rico / GUTHER, Andreas / HOFFMANN, Gero: Wissenschaftliches Arbeiten im World Wide Web, Bonn 1997 (Addison+Wesley, ca. 39,80 DM) vgl. Web-Seite mit allem im Buch erwähnten Links
  • CUNNINGHAM, S. / ROSEBUSH, J.: Electronic Publishing on CD-ROM, Bonn/ Cambridge u.a. 1996 (mit CD-ROM, die gute Beispiele enthält)
  • SHNEIDERMAN,B.: Designing information-abundant web sites: issues and recommendations, International journal of Human-Computer Studies 47 (1997) 5-29

    Wichtige Fachzeitschriften:

  • Archeologia e Calcolatori (materialreich)
  • Computers and the Humanities (CHum) letzte Hefte fuer Altertum nicht ergiebig
  • Database (wichtig wegen Vorstellung von Trends im Internet und CD-ROM-Rezensionen)
  • History and Computing (HistComp) (wenig über Antike)
  • Revue Informatique et Statistique dans le Sciences humaines (RISSH) (Band 32, 1996, hat Schwerpunkt Internet)


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